Nachtblau gekleidete Gestalten streifen hier in Gruppen umher, halten Leute fest, durchwühlen ihre Sachen mitten auf der Straße. Wenn die Leute vor ihnen fliehen, rennen sie hinter ihnen her, drängen sie an eine Hauswand, und lassen sie nicht gehen, bevor sie haben, was sie wollen.
Manchmal entführen sie Leute, die dann erst nach Stunden wieder auftauchen.
Manchmal nehmen sie ihnen ihr Handy weg, manchmal ihr Geld, manchmal beides.
Es kommt auch vor, dass Leute verschwinden, einfach so. Gestern saßen sie noch auf der Treppe, im Gespräch mit einer Freundin oder einem Freund, wie an vielen Tagen vorher. Heute sind sie nicht mehr da, und tauchen auch nicht wieder auf.
Viele Leute, die in St. Pauli-Süd wohnen, arbeiten oder sich hier treffen, fragen sich, ob das für immer so bleiben wird. Sie wünschen sich, dass es im Viertel sicherer ist, oder zumindest weniger gefährlich.
Die Forscher*innen des renommierten „Gute-Allianzen-Instituts“ untersuchen diesen Zustand schon seit Jahren. Sie haben ganz St. Pauli-Süd mit hochsensiblen Gefahren-Detektoren gescannt, Interviews geführt und festgestellt, dass einzelne Bereiche umso gefährlicher sind, je weniger sich die Leute um einander scheren.
Und nun die Sensation! Anfang des Jahres stellten die Forscher*innen eine Anomalie im Gefahrenspektrum fest. Der Zeiger des Gefahren-Detektors zitterte an einer Stelle nur leicht. Er schlug nicht aus, wie sonst immer und überall.
„Wir waren sehr überrascht“, sagt die Leiterin des Forschungsprojekts, Frau Dr. Mary Stevenson. „Wir überprüften die Stelle genau. Sie war nur wenige Quadratmeter groß, aber hier schien die Sonne wärmer, die Luft war besser und die Leute, die vorbei gingen, lächelten. Leider verschwand das Phänomen nach ungefähr zwei Stunden wieder.“
Die Forscher*innen untersuchten diesen Bereich des Viertels in den folgenden Wochen besonders gründlich. Sie stellten fest, dass die Anomalie immer am ersten Freitag im Monat, abends um sechs aufzutreten und gegen acht Uhr wieder zu verschwinden schien.
„Wir nennen das Phänomen „ungefährlicher Ort“, sagt Dr. Stevenson. „Es scheint noch sehr instabil zu sein, aber es besteht Hoffnung, dass es sich vergrößert und irgendwann vielleicht auch dauerhaft bestehen bleibt. Außerdem haben wir Hinweise darauf, dass es auch an anderen Stellen im Viertel auftritt. Wir haben nicht genug Gefahren-Detektoren und auch zu wenig Mitarbeiter*innen, um das überall gleichzeitig zu untersuchen. Deshalb bereiten wir eine große Studie vor, in die wir die Bewohner*innen von St. Pauli-Süd einbeziehen wollen.“
Das Forschungsinstitut ruft alle, die in St. Pauli-Süd wohnen oder sich oft hier aufhalten auf, an der Studie mitzuwirken. Halten Sie die Augen offen! Notieren sie Ihre Erfahrungen, wenn sie Stellen im Viertel finden, die sich irgendwie anders anfühlen und an denen Sie sich gern aufhalten.
Dr. Stevenson weist allerdings darauf hin, dass manche Leute mit dem „ungefährlichen Ort“ nicht so gut zurecht kommen, wie andere.
„Der „ungefährliche Ort“ bereitet ihnen Unbehagen“ sagt Dr. Stevenson. „Sie haben dort einen unerklärlichen, unangenehmen Juckreiz. Wer so empfindet sollte sich dringend beraten lassen. Möglicherweise übt er oder sie den falschen Beruf aus, oder hat schon seit der Kindheit eine Überdosis Horrorgeschichten gehört und glaubt jetzt dass „gefährliche Orte“ normal sind und das Leben nur durch sehr viel Kontrolle beherrschbar ist. Solche Überzeugungen zu verändern, ist schwer. Aber es gibt Therapien.“
Alle, die daran glauben, dass es auch anders geht, und die an der großen Studie zum „ungefährlichen Ort“ teilnehmen wollen, sollten besonders am ersten Freitag im Monat am frühen Abend auf Stellen im Viertel achten, an denen sich gut gelaunte Leute aufhalten und an denen sie selbst sich sicherer fühlen.
Hinweise nimmt das Forschungsinstitut per E-Mail unter ungefaehrlicherort@systemli.org entgegen.